Grundkurs

Jahrgangsstufen 12 und 13 (3)

1 Spracharbeit

Die Schüler vertiefen ihre bisher erworbenen sprachlichen Kenntnisse und üben vor allem diejenigen Arbeitstechniken, die es ihnen ermöglichen, Zugang zu anspruchsvollen lateinischen Texten zu finden. Ihre Kenntnisse des lateinischen Wortschatzes und der Prinzipien der Wortbildungslehre sollen sie außerdem dazu nützen, Vokabeln aus den modernen Fremdsprachen und Wörter aus der wissenschaftlichen Terminologie in ihrer Bedeutung zu erschließen (-> D, mFs).

autoren- und gattungsspezifischer Wortschatz
    Wörter und Wendungen, die für die jeweiligen Gattungen und Sachverhalte typisch sind;
    Leitbegriffe und ihr Bedeutungsfeld (z.B. patronus, civitas, bonum, honestum, ratio, mos maiorum)

Arbeit mit Lexikon, Wortkunde und Grammatik
Differenzieren bedeutungsähnlicher Wörter (z.B. res publica - civitas); Erkennen des syntaktischen Gebrauchs von Wörtern und ihrer jeweiligen Bedeutung (z.B. praestare); Erklären etymologischer Zusammenhänge (z.B. rudis-erudire); Analysieren von Wörtern nach ihren Bildungselementen (z.B. convalescere); Erklären von Wörtern mit lateinischen Wurzeln in modernen (vor allem romanischen) Fremdsprachen (-> mFs), von Lehn- und Fremdwörtern (-> D) und von Wörtern der wissenschaftlichen Terminologie (-> Nw) (z.B. Transfer)

lektürebegleitende Wiederholung von Formenlehre und Syntax

Satzanalyse (-> D)
Bestimmen und Erklären syntaktischer Erscheinungen und ihrer Funktion; graphische Analyse von Satzgefügen (Perioden) unter Einschluß der satzwertigen Konstruktionen

2 Textarbeit

Beim Übersetzen und Interpretieren erarbeiten die Schüler vor allem den gedanklichen Gehalt der Texte sowie die Aussageabsicht der Autoren. Dabei sollen sie immer wieder die Einsicht gewinnen, daß die Beschäftigung mit dem lateinischen Original für ein vertieftes Verständnis der Texte unerläßlich ist. Weiter wird ihnen bewußtgemacht, daß die lateinische Literatur in einem langen Traditionszusammenhang steht und bis heute in vielfältiger Weise auf die europäischen Literaturen einwirkt (-> EU).

Übersetzung anspruchsvoller Texte (-> D; -> DS)
Anwenden verschiedener Übersetzungsmethoden; treffende Umsetzung typisch lateinischer Strukturen; Berücksichtigung der im Lateinischen vorgegebenen Gedankenfolge bei der Übertragung ins Deutsche; Einsicht in den Wert von Originallektüre

stilistische Analyse und inhaltliche Interpretation anhand von Leitfragen (-> D, Fs)
Berücksichtigen sprachlich-formaler Aspekte
- Besonderheiten in der Wortwahl, in der Wahl der syntaktischen Mittel und in der Wortstellung (Dichtersprache u.a.)
- Stilfiguren, bildhafte Elemente, Topoi; Stilebenen
- metrische Gestaltung
Beschreiben der Textstruktur
- Textkohärenz (Wortstellung, Pronomina, Satzverknüpfung u.a.)
- Textaufbau (Antithetik, Leitwörter u.a.)
Einordnen in größere Zusammenhänge
    der Autor und sein Selbstverständnis; Adressaten; Gattungstradition; Stoff- und Motivwahl; Aussageabsicht
Möglichkeiten und Grenzen der Aktualisierung
persönliche Stellungnahme

Kenntnis wichtiger Metren (-> D, Fs)
    wichtige Grundbegriffe; Versarten (Analysieren und Vortragen)

Textvergleich (-> D, mFs, Gr; -> W)
Vergleichen von Texten unter Berücksichtigung von Textsorte und Entstehungszeit (z.B. Staatsentstehungstheorien und Staatsdefinitionen von der Antike bis zur Neuzeit, charakteristische Passagen aus antiken und modernen Utopien/Romanen/Satiren u.a.)

Grundkenntnisse über die behandelten antiken Gattungen und ihr Fortwirken (-> D, mFs, Gr; -> EU, MB)
    Epigramm, Satire; Roman, Dialog, Brief
    dazu: Herkunft der Gattungsbezeichnung; wichtige Vertreter; Gattungsmerkmale und -theorie; Einzelbeispiele zur Wirkungsgeschichte

Jahrgangsstufe 12

Ausbildungsabschnitt 12/1

3.1 Römisches Leben

Anhand von Briefen verschiedener Autoren beschäftigen sich die Schüler mit der gesellschaftlichen Schichtung, mit wichtigen sozialen Fragen und ausgewählten Aspekten des Privatlebens im Rom der späten Republik und des Prinzipats. Indem sie sich mit der Einstellung gebildeter Römer zu den Problemen des Alltags und zu den Schattenseiten des Lebens in der Großstadt befassen, lernen sie, gesellschaftliche Entwicklungen zu erklären, in ihrer Zeitbedingtheit zu verstehen und angemessen zu beurteilen.

Texte und Autoren

Briefe von Cicero, Seneca, Plinius
ausgewählte Briefe, v.a. zu folgenden Themen:
Sklaverei (z.B. Cic. fam. 16,4, Sen. epist. 47, Plin. epist. 8,16); Zirkus und Theater (z.B. Cic. fam. 7,1, Sen. epist. 7, Plin. epist. 9,6); Stellung der Frau (z.B. Sen. epist. 104, Plin. epist. 3,16, 4,19)

Texte zu rechtlichen Fragen (-> WR)
Texte verschiedener literarischer Gattungen und Autoren, v.a. zur rechtlichen Stellung der Sklaven und zur Praxis des römischen Rechts, z.B. von Gaius, aus dem Zwölftafelgesetz und den Digesten

historischer, sozialer und kultureller Hintergrund der Werke und Autoren
Heranziehen biographischer Fakten, politisch-gesellschaftlicher Gegebenheiten und geistesgeschichtlicher Zusammenhänge (-> W) zum Verständnis der Texte und der Aussageabsicht

Antike Kultur und ihr Fortleben

Aufbau der römischen Gesellschaft (-> G)
    wichtige gesellschaftliche Schichten und ihre Bedeutung (Plebejer, Patrizier, Ritterstand u.a.);
    Bedeutung und Aufgabenbereiche wichtiger Ämter; die Rolle des princeps als Machtträger

rechtliche, soziale und ethische Aspekte der  Sklavenfrage (-> WR; -> W)
    Rechtsstellung und Behandlung der Sklaven; wirtschaftliche Bedeutung der Sklaverei; die Freigelassenen; Humanisierungstendenzen

die Stellung der Frau in Familie und Öffentlichkeit (-> FA, W)
    Rechtsbestimmungen zu Heirat und Ehe; traditionelle Rollenverteilung; klassische römische Frauentugenden;
    Idealvorstellungen und Wirklichkeit; berühmte Frauengestalten in der römischen Literatur

die Bedeutung von Zirkus und Theater (-> FZ, ME)
    die gesellschaftliche Bedeutung der Spiele (panem et circenses);
    der gebildete Römer und die Massenunterhaltung; gesellschaftliches Ansehen von Gladiatoren und Schauspielern

Bauten und Einrichtungen in Rom (-> G, Ku; -> EU, MT, MB, U)
    berühmte Theaterbauten (z.B. Marcellustheater); Kolosseum und Circus Maximus als Repräsentationsbauten und Kommunikationsstätten;
    die Bedeutung der Thermen (-> GE); wichtige historische Stätten (z.B. Capitolium, Forum, Via Sacra) und Tempel (z.B. Vestatempel, Pantheon)

Ausbildungsabschnitt 12/2

3.2 Satire, Spott und Ironie

Die Schüler erhalten einen Einblick in das literarische Leben der Antike. Bei der Lektüre von Ausschnitten aus einem Roman sowie bei der Interpretation von Satiren und Epigrammen wird ihnen einerseits die bewußte Fortführung griechischer Traditionen durch die römischen Schriftsteller deutlich; andererseits erhalten sie einen lebendigen Eindruck von typisch römischem Lebensgefühl (-> W). Anschauliche Einzelbeispiele zeigen darüber hinaus, wie die behandelten literarischen Gattungen, Stoffe und Motive bis heute in der europäischen Literatur, Kunst und Musik weiterleben (-> EU).

Texte und Autoren

Roman und satirische Prosa
Petron: Satyricon
   Überblick über die erhaltenen Teile des Werks;
    ausgewählte Abschnitte aus der Cena Trimalchionis
oder
Apuleius: Metamorphosen (Der goldene Esel)
   Überblick über das Werk;
    ausgewählte Abschnitte
oder
Auszüge aus einem Roman bzw. einer satirischen Schrift der Spätantike oder des Humanismus,
    z.B. Erasmus von Rotterdam: Laus Stultitiae

Horaz: Satiren
    Überblick über das Gesamtwerk; ausgewählte Satiren (z.B. sat. 1,9, 2,6)

Catull und Martial
    ausgewählte Gedichte bzw. Epigramme satirischen Inhalts

historischer, sozialer und kultureller Hintergrund der Werke und Autoren
Heranziehen biographischer Fakten, politisch-gesellschaftlicher Gegebenheiten und geistesgeschichtlicher Zusammenhänge (-> W) zum Verständnis der Texte und der Aussageabsicht

Antike Kultur und ihr Fortleben

Dichterkreise (-> D, G; -> MB, W)
    Lebensstil und künstlerische Ideale der Neoteriker; die Bedeutung des Maecenaskreises für die Dichter der augusteischen Epoche

die Rolle der Literatur und das Selbstverständnis des Dichters in Republik und Kaiserzeit (-> G11)
    der poeta doctus und sein gebildetes Publikum; die Verpflichtung gegenüber der Tradition bei Horaz (z.B. Lucilius);
    Rom als Quelle und Publikum für satirische Dichtung; der Roman als Form der amüsanten Unterhaltung

Stoff- und Motivtradition im Roman (-> D, mFs, Gr; -> EU)
    der Einfluß griechischer Vorbilder; Gattungsmischung und mythologische Motive in satirischer Brechung bei Petron oder Apuleius; Erzähltechnik im Roman

literarische Motive in Kunst und Musik (-> D, Fs, Ku, Mu; -> EU, MB)
z.B. Fortwirken des Satyricon oder des Märchens vom "Goldenen Esel" (z.B. Quo Vadis, Fellini, Cervantes, Boccaccio, Lesage, Grimmelshausen), die Horazrezeption in der Musik (z.B. Zoltán Kodály), die Rezeption der carmina Catulls (z.B. Carl Orff, Jan Novak, Mörike), die Bedeutung der antiken Literatur für den Humanismus; Mythos im Bild: Fresken, Grabreliefs, Münzen

Jahrgangsstufe 13

Ausbildungsabschnitt 13/1

3.3 Der Mensch in Staat und Gesellschaft

Anhand von Texten Ciceros erfahren die Schüler, daß man sich schon in der Antike mit staatstheoretischen Fragestellungen auseinandergesetzt hat und daß die gewonnenen Einsichten für das gesamte europäische Staatsdenken maßgebend geworden sind (-> EU, P). Auch die Kritik am römischen Staat aus christlicher Sicht oder ein utopischer Staatsentwurf können zu Vergleichen mit der heutigen politischen Wirklichkeit herausfordern.

Texte und Autoren

Cicero: De re publica
    Überblick über die erhaltenen Teile des Werks; der Überlieferungszustand des Textes;
    ausgewählte Abschnitte, v.a. zu folgenden Themen: Verpflichtung zum politischen Engagement (z.B. 1,1-2, 1,7-11),
    Ursprung und Wesen des Staates (1,3941), Verfassungstheorie und Verfassungsformen (1,42-69)

Cicero: De officiis
    Überblick über das Werk;
    ausgewählte Abschnitte, v.a. zu folgenden Themen: Individuum in Staat und Gesellschaft (z.B. 1,11-17, 1,152-161),
    Verhältnis von Macht und politischer Verantwortung (z.B. 1,61-65, 1,85-91, 3,24-26, 3,30-32)

fakultativ:
Augustinus: De civitate Dei
   Kritik am römischen Staat (z.B.- 4,3-15, 19, 21-22)
oder z.B.
Thomas Morus: Utopia
   Überblick über das Werk;
    ausgewählte Stellen, v.a. aus dem 2. Buch

historischer, sozialer und kultureller Hintergrund der Werke und Autoren
Heranziehen biographischer Fakten, politisch-gesellschaftlicher Gegebenheiten und geistesgeschichtlicher Zusammenhänge (-> W) zum Verständnis der Texte und der Aussageabsicht

Antike Kultur und ihr Fortleben

Aufbau des römischen Staates (-> G11)
die Verfassungsorgane der römischen Republik und ihre Aufgaben; die Auflösung der Republik im 1. Jh. v. Chr. und ihre Ursachen

Staatsdefinitionen und Verfassungsformen (-> Gr, G, Sk13, WR; -> P)
    Staatsentstehungslehren (v.a. Plato, Aristoteles, Cicero; Hobbes, Rousseau), dazu Staatsdefinitionen (v.a. Cicero und Augustinus);
    Verfassungsformen und Theorien vom Verfassungskreislauf (Plato, Polybios, Cicero);
    die Mischverfassung als ideale Verfassungsform und ihr Bezug zur römischen Republik

Utopie und Wirklichkeit in der Staatstheorie (-> Ev, Eth, D, mFs, Gr, G, Sk; -> P, W)
    ideale Staatsentwürfe der Antike (v.a. Plato); der Begriff Utopia;
    Einführung in neuzeitliche oder moderne utopische Staatsentwürfe bzw. -romane (z.B. Morus, Campanella, Huxley, Orwell)

Christentum und antike Geisteswelt (-> K, Ev, Eth; -> EU, W) apologetische Situation des Christentums im Imperium Romanum; Rezeption antiker Staatstheorien bei christlichen Autoren; civitas terrena und civitas Dei (Augustinus)

Ausbildungsabschnitt 13/2

3.4 Lebensbewältigung durch Philosophie

Bei der Lektüre philosophischer Werke von Cicero und Seneca erhalten die Schüler eine Vorstellung vom Einfluß der antiken Philosophie auf das abendländische Denken. Sie erkennen, daß die Römer in der Philosophie vor allem Orientierungshilfe bei wichtigen Fragen der Lebensgestaltung suchten, und werden dazu angeregt, sich mit den verschiedenen Lösungsversuchen auseinanderzusetzen (-> W).

Texte und Autoren

philosophische Werke von Cicero und Seneca
    ausgewählte Abschnitte, v.a. zu folgenden Themen: die Bedeutung der Philosophie im menschlichen Leben
    (z.B. Cic. Tusc. 5,5-6, 5,10-12, Sen. epist. 20), die Frage nach dem Glück (z.B. Cic. fin. 1,46-57, Sen. epist. 74),
    Freiheit und Schicksal (z.B. Sen. epist. 16), die Bewältigung von Leid und Angst (z.B. Cic. Tusc. 1,95-99, Sen. epist. 24)

historischer, sozialer und kultureller Hintergrund der Werke und Autoren
    Heranziehen biographischer Fakten, politisch-gesellschaftlicher Gegebenheiten und geistesgeschichtlicher Zusammenhänge (-> W)
    zum Verständnis der Texte und der Aussageabsicht

Antike Kultur und ihr Fortleben

die wichtigsten antiken Philosophenschulen und ihre Lehren (-> Eth, Gr, G; -> EU, W)
Sokrates; Akademie und Peripatos (einige wesentliche Gedanken); Stoa und Epikureismus (Antworten auf Grundfragen, z.B. nach der richtigen Lebensgestaltung, dem höchsten Gut und größten Übel, dem wahren Glück, der Bewältigung von Leid und Angst, nach Freiheit bzw. Schicksalsabhängigkeit; das Ideal des Weisen)

philosophische Grundbegriffe (-> K, Ev, Eth 13, Gr; -> W)
    Maieutik; Arete/virtus; Eudaimonia; Apatheia; Ataraxia u.a.

Auseinandersetzung moderner Philosophen mit antiken Theorien (-> Eth, B; -> EU, W)
    Grundfragen der antiken Philosophie bei Philosophen und Psychologen wie z.B. Nietzsche, Freud, Jaspers, Fromm, Sartre, Camus